Man muß auch mal über sich selber lachen können
Professor Grzimek berichtet:
Studie über den gemeinen Finanzbeamten
Die vorliegende Studie über vom Aussterben bedrohte Arten befasst sich mit dem gemeinen Finanzbeamten (homo fiscalis), einer Gattung, der völlig zu Unrecht der Ruf eines gemeingefährlichen Raubtieres anlastet. Dabei ist der homo fiscalis von Natur aus eher träge und friedfertig. Lediglich bei unmittelbarer Konfrontation mit seinem natürlichen Feind, dem störrischen Steuerpflichtigen, erwacht bisweilen sein natürlicher Beuteinstinkt. Von einigen speziellen Unterarten abgesehen, die vereinzelt als Jäger und Prüfer durch die freie Wildbahn streifen, ist der homo fiscalis ein typisches Herdentier, das vor allem durch die Regelmäßigkeit seiner Lebensgewohnheit charakterisiert ist.
An fünf Tagen der Woche betritt das Rudel morgens seinen labyrinthisch angelegten, für Außenstehende schier unüberschaubar scheinenden Bau, in Fachkreisen auch Amt genannt. Dort bewohnen in der Regel jeweils zwei Exemplare dieser Gattung gemeinsam eine eigene Höhle, in der der homo fiscalis riesige Vorräte an bedrucktem, in Pappdeckeln gelagertem Papier angesammelt hat. Seine Zeit im Bau verbringt der homo fiscalis überwiegend damit, diese Vorräte zu sichten und nach einem bestimmten Prinzip zu ordnen. Obwohl sich die moderne Naturwissenschaft schon seit geraumer Zeit mit der Verhaltensweise des gemeinen Finanzbeamten beschäftigt, ist dieses Prinzip jedoch bis heute noch unbekannt. Einige führende Wissenschftler vermuten sogar, das der homo fiscalis seine Vorräte verschiedentlich planlos einfach im nächstbesten Aktendeckel ablege, was jedoch dem großen Eifer widerspricht, den er auf diese Tätigkeit verwendet.
Die Zahl der Jungtiere (homo anwaertaris) ist in der letzten Zeit stark zurückgegangen, so das einige Experten diese Gattung als vom Aussterben bedroht ansehen, zumal der homo fiscalis bei Erreichen eines bestimmten Alters seine Herde für immer verlässt. Dennoch lassen sich in den Engen ihres Baus Jahr für Jahr immer wieder neue Jungtiere des homo fiscalis beobachten, jener Spezies, die aufgrund ihres, in mehr als nur einer Hinsicht einnehmenden Wesens wohl nicht nur für die Wissenschaft zu den interessantesten Lebewesen unserer Tage zählt.